Lohnfortzahlung erst später? Nicht mit mir!

Der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Oliver Bäte, fordert, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erst ab dem zweiten Krankheitstag greifen soll. Er sieht die Unternehmen durch die Regelung benachteiligt und spricht von 77 Mrd. Euro, welche diese pro Jahr für Lohnfortzahlungen ausgeben würden. Noch einen Schritt weiter geht der Sozialexperte Bernd Raffelhüschen von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und fordert, die Lohnfortzahlung gleich für die ersten drei Krankheitstage abzuschaffen.

Für mich sind diese Forderungen aus der Luft gegriffen und spiegeln in keiner Weise die tatsächliche Wirtschaftslage wieder. Ja, deutsche Arbeitnehmer*innen sind im europäischen Vergleich häufiger krank. Durchschnittlich 15-25 Arbeitstage pro Jahr, wie Auswertungen von DAK und AOK zeigen. Das sind hohe Werte. Was Bäte und Raffelhüschen nicht sagen, ist, dass die hohe Zahl der Krankschreibungen bereits seit Jahren existiert, durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) aber erst vollständig erfasst werden. Zu diesem Schluss kommen neben den Krankenkassen auch Forscher*innen des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Also mitnichten eine höhere Quote, sondern einfach nur eine bessere Erfassung.

Die Forderungen von Bäte und Raffelhüschen sind aber aus weiteren Gründen abzulehnen. Vor allem im Niedriglohnsektor würden Arbeitnehmer*innen künftig indirekt gezwungen, krank auf Arbeit zu gehen, um keine Lohnverluste riskieren zu müssen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, zum einen Kolleg*innen anzustecken und zum anderen, die Krankheit zu verschleppen und dadurch noch sträker zu erkranken. Damit würde diese „Arbeitskraft“ noch länger ausfallen. Auch die genannten „Blaumacher*innen“ würden von einer solchen Regelung nicht abgeschreckt. Dann geht die Krankschreibung eben nicht nur einen bis drei Tage, sondern gleich ein bis zwei Wochen.

Was in der Diskussion bisher außen vor bleibt: Wie können wir die Menschen dabei unterstützen, gesund zu bleiben? Also eine Krankheit gleich zu vermeiden? Das Thema Prävention wird bisher von der Politik nicht ausreichend betrachtet. Bisher sind die Krankenkassen dazu verpflichtet, pro Versichertem und Jahr rund 7,50 Euro auszugeben. Im Jahr 2022 lag dieser Wert mit rund 7,90 Euro (insgesamt 580 Millionen Euro) leicht darüber. Hier kann aber noch nachgesteuert werden. Denn durch Prävention und Früherkennung lassen sich viele Erkrankungen frühzeitig erkennen und sogar ganz vermeiden.

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